impfen

Die jährliche Volldröhnung ist passé

Die Spatzen pfeifen es längst von den Dächern, daß jährliche Impfungen gegen alles und jedes auch bei Haustieren nicht notwendig sind. Dennoch gibt es in Deutschland – und anderswo – immer noch Tierärzte, die von der jährlichen Komplettimpfung nicht lassen wollen. Dabei empfiehlt seit 2006 auch der Tierarztverband BPT verlängerte Impfabstände für die Hauptimpfungen.

Wichtige Impfungen

Sinnvolle und wichtige Impfungen beim Hund sind die gegen Staupe (S) und Parvo (P). Auch gegen Hepatitis (H) sollten alle Hunde grundimmunisiert sein. Der Erreger kommt zwar in Deutschland kaum noch vor, so daß diese Impfung nicht zwingend nötig ist. Doch wenn möglichst viele Hunde dagegen einen Grundschutz besitzen, kann er sich nicht von neuem ausbreiten, wenn infizierte Auslandshunde ins Land kommen (etwa Welpen aus gewissenlosen Massenzuchten, die aus dem Kofferraum verkauft werden).

Ebenfalls sinnvoll ist die Tollwutimpfung. Deutschland hat seit Ende 2008 den Status tollwutfrei, das heißt, es gibt seit Jahren keinerlei Fuchstollwut mehr. Selbst wenn eine Infektion bei Hunden also heutzutage unwahrscheinlich ist, so sollte doch auf gültigen Tollwutimpfschutz geachtet werden. Denn es besteht das – wenn auch geringe – Restrisiko, daß infizierte Tiere aus dem Ausland importiert werden. Das kann für Kontakttiere ohne gültigen Impfschutz schwerste Folgen haben. Durch die Änderung der Tollwutverordnung ist es nicht mehr nötig, Hunde jährlich gegen Tollwut impfen zu lassen – fast alle deutschen Haustiertollwutimpfstoffe sind nunmehr für drei Jahre zugelassen. Die Dreijahresimpfung wird in der gesamten EU und einigen weiteren Ländern anerkannt (EU-Verordnung 998/2003 zu grenzüberschreitenden Reisen mit Haustieren).

Impfungen mit Fragezeichen

Leptospiren sind Bakterien, die von Nagern, aber auch großen Tieren (etwa Rindern) verbreitet werden und in vielen Typen vorkommen. Deutsche Lepto-Impfstoffe schützen, wenn überhaupt, nur gegen zwei Lepto-Arten. Lepto-Impfstoffe gelten als besonders nebenwirkungsträchtig. Das liegt an der generell schlechten Verträglichkeit von Ganzkeim-Bakterienimpfstoffen (auch Ganzkeim-Bakterine genannt). Sie enthalten eine Reihe von Bestandteilen der Bakterien, die unerwünschte Immunreaktionen verursachen können, bis hin zur Hirnentzündung. Verträgt ein Hund die Lepto-Impfung, kann man sie geben lassen. Allerdings sollte man sich auf den Schutz nicht verlassen. In einer neuen deutschen Studie wurde gezeigt, daß 60 Prozent der lepto-kranken Hunde dagegen geimpft waren. Auch bei Lepto ist Infektion nicht gleichbedeutend mit Erkrankung – die meisten Lepto-Infektionen verlaufen mild, nur relativ wenige infizierte Tiere erkranken schwer.

Ein Ganzkeim-Bakterin ist auch der Borreliose-Impfstoff, der gegen die von Zecken übertragenen Borrelien (Bakterien) schützen soll. Er taugt nachweislich so gut wie nichts, weil er allenfalls gegen die in Deutschland am seltensten vorkommende Borrelienart schützt, nicht jedoch gegen die anderen, viel häufigeren Borrelienarten. Dazu kommt, daß nur sehr wenige Hunde, die sich mit Borrelien infizieren, überhaupt daran erkranken. (Berner Sennenhunde scheinen dafür allerdings empfänglich zu sein. Doch auch ihnen nutzt der Impfstoff nichts.) Der Borrelienimpfstoff steht ebenfalls im begründeten Ruf, überdurchschnittlich oft Nebenwirkungen zu verursachen, bis hin zu Anfällen. Borreliose ist, wenn ein Hund wirklich daran erkrankt, gut behandelbar mit bestimmten Antibiotika. Viele Diagnosen sind jedoch falsch – Borreliose wird „hoffnungslos überdiagnostiziert“, wie es in Fachartikeln hieß. (2010 soll ein neuer Impfstoff gegen Borreliose auf den Markt kommen, der anders als der bisherige Impfstoff auf den häufigeren Borrelien-Arten basiert. Auch dieses neue Produkt ist allerdings ein Ganzkeim-Impfstoff und daher nebenwirkungsträchtig.)

Die Impfstoffe gegen Zwingerhusten (Parainfluenzavirus, Bordetella bronchiseptica) sind bisher noch nicht durch erhöhte Nebenwirkungsraten aufgefallen, doch ihr Nutzen ist begrenzt, schon weil Zwingerhusten durch viele verschiedene Erreger verursacht werden kann.

Der Impfstoff gegen das canine Coronavirus, der in relativ neuen Kombi-Produkten mit Staupe, Parvo usw. enthalten ist, ist nach Meinung vieler Experten völlig überflüssig. Das Virus verursacht, wenn überhaupt, nur bei sehr jungen Welpen milden Durchfall. Dagegen braucht man wahrlich nicht zu impfen. Davon abgesehen wird auch die Schutzwirkung des Corona-Impfstoffs in diesem Kombi-Produkt bezweifelt, weil er inaktiviert ist – mit einem inaktivierten Corona-Impfstoff ist eine Schutzwirkung im Darm (wo der Erreger angreift) unwahrscheinlich.

Seit einiger Zeit ist ein Tetanusimpfstoff für Hunde zugelassen. Weil Hunde als Karnivoren für Wundstarrkrampf jedoch wenig empfänglich sind, wird die Impfung nicht generell empfohlen.

Zum neuen Babesiose-Impfstoff liegen keine herstellerunabhängigen Studien über Wirksamkeit und Verträglichkeit vor. Die – ebenso wie Borrelien – von Zecken übertragenen Babesien kommen heutzutage auch in Deutschland vor. Zum Infektions- und Erkrankungsrisiko für Hunde im Bundesgebiet gibt es keine verläßlichen Angaben. Die Impfung schützt nur kurzfristig (maximal sechs Monate) und verhindert nicht die Infektion. Sie soll jedoch laut Hersteller den Krankheitsverlauf mildern können. Babesiose ist behandelbar (s. a. www.parasitus.com).

Impfnebenwirkungen

Die Diskussion über Impfnebenwirkungen bei Hunden wird oftmals wenig rational geführt. Im alternativmedizinischen Lager gibt es Tendenzen, fast jede Gesundheitsstörung beim Tier zum Impfschaden zu erklären. Und in der Schulveterinärmedizin werden Impfschäden beim Hund als praktisch nicht existent abgetan. Beide Positionen gehen an den Tatsachen vorbei.

Je kleiner und jünger ein Hund ist und je mehr Impfstoffe er auf einmal erhält, desto höher ist sein Risiko, eine Impfnebenwirkung zu erleiden. Am häufigsten kommen nach bisheriger Datenlage allergische Impfreaktionen vor: Fazialödem (Kopfschwellung), Atemnot, Erbrechen, Durchfall, Pruritus (generalisierter Juckreiz), allergischer Schock. Impfungen können Allergien verstärken. Darüber können sie auch Autoimmunerkrankungen auslösen, so etwa die autoimmunhämolytische Anämie (das Immunsystem attackiert die roten Blutzellen). Auch Polyarthritis kann durch Impfungen entstehen, dies ist aber gut behandelbar. Weil Impfungen nachweislich die Balance des Immunsystems zumindest vorübergehend stören, ist es kein Zufall, wenn Hunde nach einer Immunisierung eine erhöhte Empfänglichkeit für (bakterielle) Infektionen zeigen, etwa für Ohren- oder Harnwegsinfektionen. Beobachtet werden auch Verhaltens- und Wesensveränderungen (Verstörtheit, gesteigerte Ängstlichkeit u. ä.), vor allem nach Tollwutimpfungen.

Neue Impfempfehlungen USA und Deutschland

US-Empfehlungen: SHP („core vaccines“, also Hauptimpfungen) alle drei Jahre. Impfungen gegen Lepto und Zwingerhusten werden nicht für alle Hunde empfohlen, sondern nur für Hunde mit Ansteckungsrisiko.

Neue deutsche Impfempfehlungen: SHP nur noch alle drei Jahre. Lepto wird, anders als in den US-Impfempfehlungen, als „core vaccine“ (Hauptimpfung) für alle Hunde eingestuft. Sie soll laut den BPT-Empfehlungen jährlich oder häufiger gegeben werden. Zwingerhustenimpfungen je nach Bedarf, bzw. Ansteckungsrisiko.

Viel impfen, viel Schutz?

Auch dreijährliche Nachimpfintervalle für SHP sind willkürlich. Menschen werden nicht alle drei Jahre mit Viruslebendimpfstoffen traktiert (etwa Masern-Mumps-Röteln), und das ist auch bei Hunden nicht nötig. Tierärzte, die weiterhin jährlich gegen alles impfen wollen, machen gern geltend, sie müßten sich an die Herstellerangaben halten. Dieses vermeintliche Rechtsproblem ist jedoch leicht aus der Welt zu schaffen: Es ist das gute Recht der Tierhalter, zu bestimmen, wie oft und wogegen geimpft wird. Und wenn sie jährliche (oder dreijährliche) Nachimpfungen ablehnen, dann braucht auch der Tierarzt keine Haftungsfolgen zu befürchten. (Tierärzte haften sowieso selbst bei jährlicher Wiederholung nicht für den Erfolg der Impfungen.) Inzwischen sind auch in Deutschland einige Kombinationsimpfstoffe am Markt, in deren Beipackzettel mehrere Jahre angegeben sind (bei den Quantum-Kombiimpfstoffen zum Beispiel vier Jahre). Doch auf die Angaben im Beipackzettel von SHP-Impfstoffen kommt es gar nicht an – jeder SHP-Impfstoff schützt viel länger als ein Jahr.

Quelle: Monika Peichl, Haustiere impfen mit Verstand, Konstanz 2009, www.haustiereimpfenmitverstand.de